Zentrum für Wissenschaft, Forschung und europäische Spiritualität

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12.-14. November 2021

von Martin Grüger, Vorstandsmitglied der St. Hildegard-Akademie




Vom 12. – 14. November 2021 nahm ich an einem Workshop zum Thema „Spirituality and Ecology after Laudato si’“ in Taizé teil. Veranstalter war die Europäische Laudato Si'-Allianz (ELSi'A), sie ist ein Zusammenschluss verschiedener katholischer kirchlicher Einrichtungen und Organisationen, die sich in Europa gemeinsam für Klima- und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Stark inspiriert durch die Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus, hat sich eine Allianz der Institutionen gebildet: COMECE – Kommission der Bischofskonferenzen der EU; JESC – Europäisches Sozialzentrum der Jesuiten; CIDSE - Internationale Familie katholischer Organisationen für soziale Gerechtigkeit; GCCM - Global Catholic Climate Movement; Justice and Peace Europe; und CCEE - Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (als Beobachter).

In einem sehr bewegenden Einführungsvortrag zur Enzyklika Laudato si‘ (Titel „Den Schrei der Erde und den Schrei der Armen hören“) erläuterte Prof. Michael Rosenberger (Universität Linz) entscheidende Passagen der Enzyklika und machte damit die tiefe spirituelle Dimension gut verstehbar und andererseits die Notwendigkeit zum dringenden Handeln. Er machte u. a. auch verstehbar, warum Papst Franziskus entgegen der verbreiteten Hoffnung vieler Fortschrittgläubiger in seiner Enzyklika schreibt, dass Technik keine Lösung sei: Rebound-Effekte sind Beispiele, an denen sich zeigt, dass technische CO2-Reduzierungen in verschiedenen Bereichen wie Wohnen und Mobilität durch aufwendigeren Lebensstil wieder zunichte gemacht werden. Er erwähnte, dass die Wahrscheinlichkeit, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 zu erreichen, nur bei 1 % liege und selbst das 2-Grad-Ziel sei nur noch mit 2%iger Wahrscheinlichkeit erreichbar.

An das Ende seines Vortrags stellte er das Vaclav-Havel-Zitat zu Hoffnung: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat - egal, wie es ausgeht“.

In Anbetracht der Tatsache, dass zeitgleich mit diesem Wochenende die Weltklimakonferenz in Glasgow zu Ende ging, bei der sich die Staaten der Welt nur zu Minimallösungen durchringen konnten, war dieses Hoffnungszitat für die Teilnehmer sehr wichtig.

In einer zweiten Session zum Thema „Menschen, die eine tiefe Bekehrung erleben“ wurden drei christliche Persönlichkeiten vorgestellt. Fr. Alois, der Prior der Taizé-Brüder sprach über Fr. Roger Schütz „Die einfache Schönheit der Natur – eine lebenslange Inspirationsquelle“ über Gründung und Entwicklung der Taizé-Gemeinschaft, Martin Grüger sprach über „die Hl. Hildegard und die Schöpfung“ mit einem Focus auf vier Schöpfungsvisionen aus dem Liber Divinorum Operum und P. Edmond Grace SJ sprach über „Den Moment der Bekehrung im Leben des Heiligen Ignatius“.

Die dritte Session stand unter dem Titel „Die ökologische Krise, Spiritualität und Laudato si'“. Hier sprach Dr. Ottilia Lukacs (aus Ungarn über Video) zum Thema „Natur und Spiritualität - ein biblischer Ansatz“, wobei Genesis im Vordergrund stand. P. Eric Charmetant SJ sprach mit einem philosophischen Ansatz über „Die ökologische Spiritualität von Laudato si'“ und verdeutlichte zwei verschiedene Vorstellungen vom Zusammenspiel von Mensch, Gott und Natur. Das Spannungsfeld bewegte sich zwischen Zentrismus und Integralität.

In einer vierten Session ging es um inspirierende Orte, Zeiten und Gebete für die ökologische Bekehrung. Christine Kristoff-Lardet sprach in einem ausführlichen und eindrucksvollen Bild-Vortrag über ihr Buch „Auf der Erde wie im Himmel“. Dabei ging es um spirituelle Einrichtungen in aller Welt, die sich der Ökologie verpflichtet fühlen und die von Frau Kristoff-Lardet persönlich besucht wurden. Es ging um Lebensgemeinschaften, die klösterlich, quasi klösterlich oder ohne religiösen Bezug in unterschiedlicher Weise versuchen, auf dem Land öko-spirituell zu leben.

Zwischendurch gingen wir in Kleingruppen durch die Natur und reflektierten Gedanken zur Ökospiritualität: Stadt – Land, Jung – Alt, Politische Struktur – Aktivismus, Süd – Nord, Natur – Technik, individueller Glaube – Bedeutung von Gemeinschaft.

Im Workshop kam auch das Buch von Ron Taylor „dunkelgrüne Religion“ zur Sprache, in dem schon 2008 gezeigt wird, wie weltweit Menschen seit Jahrzehnten auf der Suche sind nach einer neuen Form des Lebens in Bescheidenheit und im Einklang mit der Natur, teilweise in klammheimlicher oder offener Ablehnung von Mainstream-Religionen, die eben das (noch) nicht hinreichend tun. Es wurde auch die Spannung deutlich zwischen der Angst vor Pantheismus und der Suche nach einem lebbaren Panentheismus.

Dass das Treffen in Taizé stattfand war, kein Zufall. Taizé strahlt neben europäischem Zusammenhalt und Glaubensfreude diese überzeugende Spiritualität von Einfachheit aus [Benediktinisch: das Notwendige], die nötig wird, um frei zu werden von Konsumzwang, um so ressourcen- und klima-gerecht werden zu können.

Die drei täglichen Gebetsstunden waren ein wertvoller Rahmen für unserem Workshop-Treffen. Die Essenszeiten in der Gruppe mit anschließendem gemeinsamem Abwaschen waren so förderlich für das Miteinander und schließlich war ein gemeinsames Mittagessen mit dem Konvent am Sonntag ein krönender Abschluss und ein Zeichen der Anerkennung unseres spirituellen Suchens vonseiten des Priors. Zwei Taizé-Brüder berichteten dabei über ihrem Aufenthalt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow, wo sie Gebetszeiten für die Kongressteilnehmer angeboten hatten.

Es war ein gelungener Workshop. Hier haben sich 20 Menschen aus 10 Nationen mit teilweise enorm langer Anreisezeit für ein Wochenende getroffen, um gemeinsam zu überlegen, wie die Botschaft von Laudato si‘ spirituell im Alltag des eigenen Landes gelebt werden kann. Diese 20 Menschen waren in verschiedener Weise sehr mit der Materie, d. h. Laudato si‘ und der Krise unserer westlichen Zivilisation vertraut und haben das intensive Ventilieren des Themas, verbunden mit einem herzlichen Miteinander im erfrischenden Taizé-Umfeld sehr genossen. Viele Nachfragen gab es zur Hl. Hildegard; es wurde deutlich, wie relevant ihre prophetischen Schöpfungsvisionen für unsere heutige Zeit und westliche Gesellschaft ist. Auch der Vortrag über öko-spirituelle Lebensgemeinschaften bewegte die Teilnehmer in besonderer Weise, weil sich hier zeigte, dass man durchaus auch heute ein Leben im Einklang mit der Natur leben kann.

Die Organisatoren des Workshops haben das Feedback der Teilnehmer zu allem Vorträgen aufgenommen und werden daraus einen Beitrag für den nächsten Taizé-Brief erstellen.

Der Workshop wurde so zu einem gelungenen Kick-off-Treffen der neu gegründeten European Laudato si‘ Alliance, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Umsetzung der so wichtigen Enzyklika von Papst Franziskus in Europa zu fördern.

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