Prof. Dr. Michael Oberweis
Mit dem Kampf gegen Ämterkauf und Priesterehe fanden die hochmittelalterlichen Kirchenreformer auch in Laienkreisen große Resonanz. Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts traten im nördlichen Frankreich Prediger auf, denen es durch ihr Wort und ihre asketische Lebensweise gelang, eine beachtliche Anhängerschaft von Männern und Frauen um sich zu scharen. In unstetem Wanderleben folgten sie dem Beispiel der Apostel; dabei gerieten sie nicht selten in Konflikt mit kirchlichen Amtsträgern. Einer dieser Wanderprediger war der Bretone Robert von Arbrissel (ca. 1045–1116), der 1101 im Anjou das Doppelkloster Fontevraud gründete, aus dem ein bedeutender Orden hervorging. Die Gesamtleitung beider Ordenszweige, des männlichen wie des weiblichen, oblag der Äbtissin des Mutterklosters. Im Vortrag sollen das abenteuerliche Leben Roberts und die Anfänge von Fontevraud erörtert werden; das Hauptinteresse wird den vielfältigen Aspekten weiblicher Religiosität im 11./12. Jahrhundert gelten.